Haben und Nichthaben by Branko Milanović

Haben und Nichthaben by Branko Milanović

Autor:Branko Milanović [Milanović, Branko]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783806235241
Herausgeber: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Skizze 2.6

Drei Generationen von Obamas

Am Beispiel des Lebens von drei Generationen der Familie Obama lassen sich einige Schlüsselthemen dieses Buches gut veranschaulichen.

Die Hauptrolle in Barack Hussein Obamas wunderbarem kleinen Buch Dreams from My Father* spielt sein kenianischer Großvater, obwohl auch sein Vater ein bemerkenswerter Mann war. Der Großvater, Hussein Onyango Obama, wurde im Jahr 1895 geboren, verließ sein Elternhaus in jungen Jahren und machte sich selbstständig. Er widersetzte sich der Tradition, die von ihm verlangte, zu heiraten und eine Familie zu gründen, und erhielt nach Jahren harter Arbeit schließlich dank seiner Fähigkeiten als Landwirt mit einiger Verspätung widerwillige Anerkennung der Gemeinde.125

Onyango führte ein ungewöhnliches Leben. Nachdem er das Haus seiner Familie verlassen hatte, begann er sich westlich zu kleiden und ging nach Nairobi, um dort Arbeit zu finden. Aber die beste Arbeit, die dieser fleißige, sture und beeindruckende Mann finden konnte, war eine Tätigkeit als Diener von Briten. Das Kolonialregime hatte eine unübersehbare, unüberwindliche Grenze für die Bestrebungen eines Schwarzen gezogen, so ehrgeizig oder intelligent dieser auch sein mochte. Alle höheren Positionen waren den Briten vorbehalten. Onyango fand sich anscheinend mit dieser Ordnung ab: Er lehnte sich nie offen dagegen auf, sprach sich gegen die Unabhängigkeit Kenias aus und war sehr enttäuscht, als sein Sohn eine Weiße heiratete. Aber wahrscheinlich litt er unter der Ungleichbehandlung; zumindest war ihm bewusst, wie ungerecht sie war.

Im Kenia der zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts herrschte eine tatsächlich absolute Trennung der gesellschaftlichen Positionen und Einkommen. So wie es keine höheren Posten für Schwarze gab, gab es auch keine niedrigeren Positionen für Weiße. Das wird in der Ungleichheitsökonomie technisch als „Nichtüberschneidung“ zwischen den zwei Verteilungen bezeichnet: Es ging allen Weißen besser als allen Schwarzen. (In Skizze 2.2 haben wir gesehen, dass heute oft Ähnliches für die Verhältnisse zwischen reichen und armen Ländern gilt.)

Aber wir können diese riesige Kluft sogar in Zahlen ausdrücken. Barack Obama zitiert aus dem Arbeitsbuch seines Großvaters, das die Bezeichnung Domestic Servant Pocket Register trug. Alle kenianischen Arbeitskräfte mussten am Arbeitsplatz oder auf Arbeitssuche ein solches Register bei sich tragen, in dem alle Arbeitgeber ihre Beobachtungen über den Beschäftigten festhielten. Einer von Onyangos Arbeitgebern schrieb in einer der wenigen negativen Bewertungen, die Obamas Großvater erhielt, dieser Arbeiter sei „ungeeignet“ und „ganz gewiss nicht 60 Schilling pro Monat wert“. 126 Der Eintrag stammt aus den frühen dreißiger Jahren (Onyangos Arbeitsbuch wurde ihm im Jahr 1930 ausgestellt). Wenn wir davon ausgehen, dass Onyangos normaler Lohn bei 60 Schilling im Monat lag, bezog er also ein Jahreseinkommen von 720 Schilling.127 Da seine Familie zu jener Zeit aus ihm, seiner Frau und einem Kind bestand, belief sich das jährliche Pro-Kopf-Einkommen der Haushaltsmitglieder also auf 240 Schilling.128

Dank der Studien zur Wirtschaftsgeschichte Kenias verfügen wir über eine Schätzung zur Einkommensverteilung des Landes im Jahr 1927.129 Die ärmste und mit Abstand größte Gesellschaftsgruppe, die 82 Prozent der Gesamtbevölkerung stellte, war die der einheimischen Kleinbauern, deren Jahreseinkommen auf 137 Schilling geschätzt wurde. Dieser Betrag entsprach etwa dem Existenzminimum. Dann kamen die schwarzen Landarbeiter (7 Prozent) und Selbstständigen (1,2 Prozent) mit einem geschätzten Pro-Kopf-Haushaltseinkommen von 211 beziehungsweise 271 Schilling.



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